Eine Deutschlandtour mit Babybauch und Kleinkind.
Zwei Monate sind wir als kleine Familie mehr als dreitausend Kilometer über die Autobahnen Deutschlands getourt, haben dabei Freundschaften aufleben lassen, emotionale Autofahrten überstanden, gemeinsame Predigterfahrungen gesammelt, alternative Lebenspläne geschmiedet und einen phänomenalen Roadtrip nach Rom erlebt.
1. April.
In der Morgendämmerung setze ich meinen Fuß aus der Haustüre und unter meiner Schuhsohle knirschen zehn Zentimeter Neuschnee. Dass meine Laufschuhe in Windeseile durchnässt und die Füße darin bitterkalt sind, bemerke ich nicht, denn die Freude über die verschneite Baumlandschaft um mich herum nimmt mich gefangen.
So eine Begrüßung im deutschen Frühling ist genau das, was ich mir gewünscht (eventuell auch bei Gott erbeten) hatte.
Vor mir liegt ein verspäteter Schneespaziergang und acht Wochen feinste Terminplanung unseres zweiten Heimataufenthaltes als Missionare der Allianzmission. Es ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit, in regenmäßigen Abständen von unserer Arbeit bei Cambio und auf Gran Canaria zu berichten. Predigtbesuche in Gemeinden, Treffen mit Unterstützenden unserer Arbeit, verschiedene Vorträge und Besuche bei Freunden und Familie sind die Hauptelemente dieser Zeit. Dabei werden wir eine Art Vagabunden-Leben führen und jede Woche ein neues Gästezimmer als vorübergehendes Zuhause in Beschlag nehmen. Neben Theo ist auch ein runder Babybauch mit dabei, den hatten wir bewusst nicht vorher angekündigt, sondern wollten euch den Zuwachs unserer Familie persönlich präsentieren.
„Auto – Auto.“
Diesen Zweiwortsatz von Theo sollten wir in den kommenden Wochen immer wieder zu hören bekommen. Denn der dunkelblaue Dienstwagen war auf unserer Rundreise von Ewersbach übers Sauerland und quer durch Deutschland bis in den Süden nicht nur für Theo ein wichtiger Rückzugsraum, um ungestört Zeit als kleine Familie zu haben. Die Stunden auf den Autobahnen waren für uns alle wichtig, um die vielen Eindrücke und Emotionen von Wiedersehen und Abschieden zu verbreiten.
Selten habe ich zuvor in so kurzer Zeit so viele Menschen aus den verschiedensten Stationen meines Lebens getroffen – wunderschön intensiv und herausfordernd zugleich.
Dabei starte ich jeden Tag neu den Versuch, in der kurzen Zeit bei Freunden und Familie (mal ein Kaffeekränzchen, mal ein gemeinsamer Spaziergang, mal mehrere Tage gemeinsamen Zusammenlebens) so gut es ging in deren Leben einzutauchen und Anteil zu haben an den Geschehnissen und Themen, die unsere Gastgeber zur Zeit bewegen.
So herausfordernd diese kurzen gemeinsamen Momente waren, so wertvoll waren sie für mich, denn sie zeigten mir, dass auch nach drei Jahren Leben im Ausland die Vertrautheit mit den Leuten nicht verloren gegangen ist. Im Gegenteil, über die Monate der Pandemie haben wir ganz ähnliche Dinge erlebt. Besonders fiel mir das bei Freunden in ähnlichen Lebensphasen auf. Auch wenn sich unsere Kinder erst im alter von zwei Jahren kennen gelernt haben, die Gespräche waren ebenso intensiv und authentisch, wie vor unserer Ausreise nach Gran Canaria.
Sonntags geht’s in den Gottesdienst – genauer gesagt auf die Kanzel (oder an den Notenständer, je nach Ausstattung der Gemeinde). Das Thema “Jüngerschaft” ist in christlichen Kreisen absolut in Mode. Uns bietet der Trend eine hervorragende Chance, in verschiedensten Gemeinden zu predigen und dabei von den Erlebnissen aus unserer Arbeit im Jüngerschaftszentrum Cambio zu erzählen. Was für Tobi schon Gewohnheit ist, ist für mich absolutes Neuland. Ich spreche gerne vor Menschen, aber gerade bei theologischen Inhalten bin ich grundlegend davon überzeugt, dass es geeignetere Redner*innen gibt, als mich. Dennoch hat mich in der Vorbereitungen auf die Zeit in Deutschland die Herausforderung gereizt, gemeinsam mit meinem privaten Predigtlehrer Tobi das Thema Jüngerschaft zu einer Dialogpredigt auszuarbeiten.
Wenn du mal reinschauen möchtest, die Predigt in der FeG Karlsruhe zum Thema Jüngerschaft und Nachhaltigkeit gibt’s online.
Unterm Strich habe ich mein Predigtdebüt als durchweg positiv erlebt. Klar, eine ordentliche Portion Nervosität war immer dabei, aber da ich thematisch von meiner gesammelten Expertise und meinem Erfahrungshorizont der letzen drei Jahre sprechen konnte, habe ich mich (auch beim theologischem Gesprächsstoff) durchweg authentisch und wohl gefühlt.
Wie lange bleibt ihr noch auf Gran Canaria?
Diese Frage ist die häufigste Frage der letzten Wochen an uns beide gewesen. Unser Job als Missionare hat keine Befristung und somit auch kein konkretes Rückreisedatum. Vielmehr gilt es, den passenden Moment abzupassen, an dem unser Job bei Cambio getan ist und wir bereit sind für eine neue Lebensphase — wo auch immer. Wir haben die Zeit und die Eindrücke in Deutschland genutzt, um uns in alternative Lebenskonzepte hineinzudenken. Jugendreferent im Umland von Frankfurt? Co-Pastor in einer modernen Gemeinde? Oder doch lieber das alternative Lebenskonzept als Teil einer kleinen Kommune mit Blick auf die schwäbische Alb?
Wir hatten jede Menge Freude daran, diese Ideen so konkret wie möglich durchzudenken – Kopfkino deluxe sozusagen.
Dennoch war uns am Ende beiden bewusst, dass unser derzeitiger Platz auf den Kanaren ist und nicht in Deutschland. Wir reisen also zurück, für wie lange ist schwer zu sagen. Freunde, ihr kennt das Leben der letzten Jahre und wisst selbst, wie unberechenbar und turbulent die Umbrüche darin sind. Wie lange wir also noch auf Gran Canaria bleiben? Irgendwas zwischen 2 und 5 Jahren schätze ich. Für genauere Details müssen wir erstmal abwarten und weiterleben.
Und dann gab es da noch das absolute Highlight unserer Zeit auf dem europäischen Festland: Ein zweiwöchiger Urlaub, ein Roadtrip durch Italien mit dem Ziel: Rom. Aufgeregt waren wir, denn wir hatten die Entscheidung, mit dem Auto durch halb Italien zu fahren, ohne jeglichen Erfahrungswert getroffen.
Campen mit Kleinkind, drei Tage in dem großstädtischen Trubel Roms und
eine ungeplante Route durch halb Italien – es lief besser, als wir uns hätten Träumen können. Aber dazu schreibe ich glaube ich einfach nochmal einen extra Eintrag mit vielen schönen Fotos, denn Italien ist (neben den Kanaren vielleicht) einer der besten Ort um Urlaub zu machen.
8. Juni.
Nach zwei Monaten Umherreisen schließen wir die Tür zu unserer eigenen Wohnung auf, wir sind wieder zu Hause. Wir schauen zurück auf neun Wochen voller inspirierender Gespräche, köstlichen Brezel-Momenten, ausgiebiger Zeit mit unseren Familien, Freunden und einzigartigen Erinnerungen.
DANKE euch, für all die schönen Momente in unserem Heimataufenthalt 2022.
Annabel
So wertvoll, dass ihr hier wart! Kommt bald wieder 🙂
Elli
👍🥰